Portraits mit Bokeh - Helios 40-2 85mm f1,5
Manchmal kann die Kombination aus alt und neu zu verblüffenden Ergebnissen führen. Es gibt ein paar phantastische Objektive aus analogen Zeiten, die sich mit Adaptern gut an moderne Digitalkameras anschliessen lassen. Eines davon ist das russische Helios 40-2 85mm f1,5 Portraitobjektiv. Über diese Linse gibt es im Internet viele technische Informationen die man leicht finden kann - ich gebe hier ein paar Anwendungstips, die auf persönlicher Erfahrung beruhen.
Eines vorweg: Das Helios 40 ist ein rein manuelles Objektiv! Wer ohne Aufofokus, Vollautomatik, Blendensteuerung und Stabilizer nicht fotografieren mag, der sollte die Finger von dieser Optik lassen. Man muss beim arbeiten mit dem Helios gewissenhaft scharfstellen und manuell abblenden. Es ist keine Linse für Schnappschüsse!
Das Objektiv ist ein echter "Brocken", es wiegt ein knappes Kilo. Dafür ist es mit f1,5 sehr lichtstark und ziemlich solide verarbeitet. Das Helios 40 genießt in manchen Kreisen inzwischen Kultstatus und wird respektvoll als "Bokeh-Monster" bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht, wie ich finde.
Aber was ist eigentlich "Bokeh"? Wikipedia meint dazu: Bokeh (von jap. 暈け, auch ぼけ oder ボケ geschrieben, boke „unscharf, verschwommen“)[1] ist ein in der Fotografie verwendeter Begriff für die Qualität eines Unschärfebereichs. Unscharfe Gebiete eines Fotos (oder Films) werden von einem Objektiv durch Projektion auf eine Abbildungsebene (heute typischerweise einen Lichtsensor) erzeugt. Sie sind sozusagen „Erfindungen“ des Objektivs; unser Auge sieht die Unschärfen nicht oder anders. Bokeh versucht, die meist subjektive, ästhetische Qualität dieser objektivabhängigen Unschärfen zu kennzeichnen; dabei geht es nicht um die Stärke der Unschärfe, sondern darum, wie die Unschärfebereiche aussehen, etwa wie Ringe oder Kreise. |
Das Helios 40 besitzt eine manuelle Vorwahlblende - im Gegensatz zur Springblende vieler M42 Objektive. Man wählt die gewünschte Blende an einem Einstellrad vor, die Blende bleibt aber offen. Dreht man nun den zweiten Blendeneinstellring bis zum Anschlag, schließt sich die Blende auf den eingestellten Wert. Das ist ein bisschen gewöhnungsbedürftig, man hat die Funktion aber schnell im Griff.
Durch seine hohe Lichtstärke von 1:1,5 liefert das Objektiv bei offener Blende eine sehr geringe Schärfentiefe. So kann man Objekte vor einem wunderbar unscharfen Hintergrund freistellen, während die Unschärfe sich um die Bildmitte zu zentrieren scheint.
Das Helios 40-2 wird im Internet häufig als Neuware angeboten, man kann es z.B. mit Nikon- oder Canon-Anschluss kaufen. Ich habe es mit dem traditionellen M42 Schraubanschluss gekauft, denn so kann ich es mit Adaptern an verschiedene Kameras anschliessen. Das funktioniert z.B. an einer Canon 5D problemlos. Zum Adapter für das Nikon-Bajonett muss gesagt werden, daß er eine Fokussierung auf Unendlich nicht zulässt. Das geht nur, wenn man einen Adapter mit Korrekturlinse verwendet - was ich aber nicht tun würde, weil die Billiglinsen in den Adaptern die optischen Eigenschaften des Objektives stark beeinträchtigen. Für Portraitaufnahmen mit dem Helios 40 auf einer Vollformat-Nikon reicht der einfache Adapter ohne Linse aber aus, weil man ja ohnehin nur im Nahbereich fokussiert.
Meistens benutze ich es aber auf Digitalkameras. Um den "Swirl-Bokeh-Effekt" im Hintergrund richtig ausnutzen zu können, sollte man dieses Objektiv auf einer Digitalkamera mit Vollformatsensor einsetzen.
Um den kreisenden "Swirl-Effekt" in der Unschärfe zu erzeugen, muss man einen möglichst strukturierten Hintergrund wählen. Licht, das durch Blätter fällt, eine reflektierende und strukturierte Wasseroberfläche oder viele einzelne Lichter einer Nachtszene. Am meisten Spaß macht das Objektiv bei offener oder nur ganz leicht geschlossener Blende. Durch den enormen ISO-Bereich der Digitalkameras kann man die Belichtung bequem mit den Parametern Zeit und ISO steuern - während die Blende offen bleibt.
Auch der Abstand zum Objekt hat Einfluß auf den Effekt - je näher man herangeht, desto stärker wird logischerweise der Unschärfeeffekt im Hintergrund. Aber die geringe Schärfentiefe macht andererseits Portraits aus zu kurzem Abstand unmöglich. Hier muss man also einen funktionierenden Kompromiß finden.
Abendlicht mit Helios 40-2 85mm,1/200sek, f1,5, ISO 1600
Das Helios wird derzeit im Internet über diverse russische Webshops ab ca. 330,- Euro als Neuware angeboten. Man sollte jedoch hier die Versandkosten und den anfallenden Zoll berücksichtigen. Die aktuellen Gebrauchtpreise in Deutschland sind nicht unbedingt niedriger. Die Preise für dieses Objektiv sind in den letzten Jahren deutlich gestiegen - hier bezahlt man vermutlich den "Kultstatus" mit. Wer einfach ein gutes Portraitobjektiv sucht, sollte sich lieber eine moderne Linse für sein Kamerasystem kaufen. Aktuelle Optiken sind dem Helios in Sachen Randschärfe und Bedienkomfort weit überlegen! Wer jedoch den ganz eigenen, weichen Charakter dieses Objektives zu schätzen weiß - und mit der manuellen Bedienung kein Problem hat - der wird es nicht wieder hergeben. |
Hier noch eine Testreihe, die das Bokeh des Objektives bei unterschiedlichen Blenden zeigt. Entstanden sind die Aufnahmen auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Stockholm Östra station, ohne Blitz oder Aufheller, nur mit dem vorhandenen Licht eines Wartehäuschens.
Die Schärfentiefe ist so gering, daß man sehr sorgfältig scharfstellen muss. Das Model kann durch eine kleine Bewegung sofort die Schärfeebene verlassen.
Nachtportrait mit Helios 40-2 85mm
1/50sek, f1,5, ISO 1600
Nachtportrait mit Helios 40-2 85mm
1/30sek, f5,6, ISO 1600

Bei Blende 8 sieht man, daß die Schärfentiefe deutlich wächst, aber die Lichter in Hintergrund nochmals kleiner geworden sind. Die Fokussierung ist hier sehr viel einfacher und das Model bleibt leichter in der Schärfeebene.
Das Objektiv ist - so genutzt - immer noch ein schönes Portraitobjektiv, verliert aber meiner Meinung nach seinen speziellen Charakter.
Nachtportrait mit Helios 40-2 85mm
1/20sek, f8, ISO 1600
Portrait Doro Schmitz mit Helios 40-2 auf Nikon D3, offene Blende, Belichtungszeit 1/2000, ISO 200. Man kann deutlich den sehr geringen Schärfentiefenbereich bei Offenblende (f=1.5) erkennen. Der Fokuspunkt liegt exakt auf Augen und Mund, während die Ohren bereits in der Unschärfe liegen. Eine kleine Bewegung des Models oder der Kamera reichen aus, um ein komplett unscharfes Ergebnis zu erhalten.